Mother, I have reached the land of my dreams
Verfolgen wir Migrationsrouten Jahrhunderte und Jahrtausende zurück, so stoßen wir auf Geschichten einer durch Kriege, Hunger, Verfolgung und Krisen geplagten Menschheit. Wir sehen von Pfaden durchzogene Länder, Meere und Kontinente, erschlossen von Augenpaaren die beobachteten und Beinen, die das Land beschritten, derer die beharrlich nach einer besseren Zukunft, wenn nicht nach dem schieren Überleben suchten und deren Lebenserfahrungen weitestgehend unausgesprochen und vergessen bleiben, selbst wenn die kollektiven Schicksale der Migranten mit den großen Strömen der Geschichte verschmolzen und die Entwicklung von Kulturen, Zivilisationen, Völkern und Ethnien auf der ganzen Welt mitgestalteten.
Heute ist uns die Notlage der Migranten näher als je zuvor; tatsächlich erfahren sie viele von uns aus erster Hand oder kommen durch Zufall mit ihr in Berührung. In einer Zeit der sich ständig aktualisierenden Nachrichten, erreichen uns innerhalb von Sekunden die schockierenden Bilder von Flüchtlingen auf ihrem verzweifelten Weg nach Europa – tragisch, manchmal auf Kosten ihrer Leben – und hinterlassen tiefe Erschütterung. Die massive Berichterstattung der Medien beeinflusst nicht nur die öffentliche Debatte und bewirkt zivile Aktionen und Veränderungen in der Politik, sondern erweckt auch einen Anstieg von Fremdenfeindlichkeit und Antagonismus. Dennoch – dem elektronischen Medium geschuldet – verschwinden häufig auch die verheerendsten, ikonischsten Bilder im unendlichen Fluss von Newsfeeds, Updates und Datenüberlastung. Wie kann die Geschichte der Einwanderung nachhaltig wirken? Kann die Kunst, mit ihren visuellen Mitteln, auf der einen Seite das breite Spektrum an Einwanderungsgeschichten erfassen und ihre Relevanz angesichts des akuten Ausnahmezustands festhalten und auf der anderen Seite eine Überlastung der bestehenden Berichterstattung auffangen?
Der Titel der Ausstellung erinnert an die letzten Zeilen einer Erzählung: den Moment, in dem eine lange Reise zu Ende geht und die tägliche Routine einsetzt; an dem das erhoffte Ziel auf einmal sichtbar wird und den Weg für den Verzicht auf Phantasien und Träume frei macht. Es markiert auch den Ausgangspunkt für eine Reise der anderen Art – diesmal nicht mit einer geografischen Entfernung, sondern eine Reise ins Innere, nicht weniger qualvoll als die erste; eine nie endende Reise, möglicherweise beeinflusst durch anhaltende Selbsthinterfragung: »Bin ich schon angekommen? Kann ich neu anfangen, entspannen, mich zurücklehnen und die Vergangenheit vergessen, das Land aus dem ich kam, hinter mir lassen?«
Trotz der starken Konnotationen der Zufluchtsuchenden, nähert sich diese Ausstellung den verschiedenen Zu- und Umständen von Migration als ein Einander berühren, trotz offensichtlicher Unterschiede, an. Alle teilnehmenden KünstlerInnen haben ihren ständigen Wohnsitz in Berlin. Einige sind bereits seit Jahrzehnten oder seit ihrer Kindheit hier, während andere, relativ gesehen, Neulinge in der deutschen Hauptstadt sind – jedoch wurde keiner von Ihnen in Berlin geboren.
Einige der Werke richten ihr Augenmerk auf das fürchterliche Schicksal von Flüchtlingen, die versuchen das Mittelmeer zu überqueren, während andere Arbeiten persönliche Geschichten und Familienbiografien verarbeiten, die in einer quälenden Vergangenheit verstrickt sind. Wiederum andere befassen sich mit dem Gefühl der Fremdheit im Allgemeinen und den damit verbundenen Missverständnissen und Vorurteilen.
KünstlerInnen: Natalia Ali, Bettina Allamoda, Anina Brisolla, Nezaket Ekici, Amir Fattal, Eldar Farber, Francesca Fini, Alona Harpaz, Olaf Kühnemann, Ella Littwitz, Shahar Marcus, Angus Massey, Alona Rodeh, Spacedigger, Amir Yatziv
Kuratorin: Alona Harpaz (CIRCLE1)
Gastkuratorin: Sharon Horodi
Technische Leiterin: Keren Shalev
Kuratorische Texte: Hemda Rosenbaum
Produktion: Revital Michali
Koordinatorin: Inbal Levertov
Public Relations: Vanessa Lorenz, Dorit Rubin-Elkanati
Eröffnung der Ausstellung mit kuratorischer Einführung
Freitag, 21. Okt 2016 17:00
Zugang zur Ausstellung und Teilnahme an Führungen kostenfrei.
Die Ausstellung befindet sich in den oberen Räumlichkeiten des Festivalspaces im RADIALSTEM V.
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Alona Harpaz & Sharon Horodi
Alona Harpaz, geboren 1971 in Tel Aviv, Israel, lebt und arbeitet seit 2001 in Berlin. Harpaz ist die Gründerin und künstlerische Leiterin der CIRCLE1 Gallery in Berlin. Bis 1993 studierte Sie an der Bezalel Acadamy of Art and Design in Jerusalem, danach ging sie nach New York, um dort am International Center for Photography zu studieren und schloss schließlich 1999 ihre Studien an der The Art Teacher training College in Israel ab.
Die bildende Künstlerin, Filmemacherin und Kuratorin Sharon Horodi wurde 1970 in Rehovot, Israel geboren. Sie lebt und arbeitet seit 2012 in Berlin. Seit 2010 kuratiert sie das einmal im Jahr stattfindende internationale Kunst- und Medienfestival Musrara Mix in Jerusalem.
Als sozial engagierte Künstlerin entwickelt und realisiert sie, in Kooperation mit Cheb Kammerer, gesellschaftsbezogene Kunstprojekte. Als Videokünstlerin und Experimentalfilmerin nimmt sie regelmäßig an internationalen Filmfestivals und Ausstellungen teil. Diese sind u.a. Directors Lounge Berlin, Anthology Film Archives New York, Cinematheque Jerusalem & Tel Aviv, DOX – Centre for Contemporary Art Prag, Instants Video Marseille, International Kurzfilmfestival Hamburg, Kasseler Dokumentarfilm- und Videofest und viele mehr.
CIRCLE1 ist eine Initiative, deren Mission es ist, Nachwuchskünstler in Berlins florierende Kunstszene zu integrieren, kulturellen Austausch zu fördern und ein wahres Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, mit besonderem Augenmerk auf israelische Kunst.
Seit der Gründung im Jahr 2013 durch eine Gruppe von in Berlin lebenden Künstlern und Kuratoren hat CIRCLE1 bereits zahlreiche Ausstellungen zeitgenössischer israelischer sowie aufstrebender internationaler Künstler präsentiert und somit den meisten ermöglicht, ihre Arbeiten zum ersten Mal in Berlin zu zeigen. Zusätzlich hat CIRCLE1 bereits eine große Bandbreite von kulturellen Aktivitäten wie Vorträge, Konzerte, Filmvorführungen, Künstlergespräche und Podiumsdiskussionen veranstaltet mit der Absicht, Künstlern aus aller Welt einen Raum zur Verfügung zu stellen, in dem sie miteinander arbeiten und auftreten können.
In der kurzen Zeit ihres Bestehens hat CIRCLE1 sich bereits als treibende Kraft und fester Bestandteil in Berlins kultureller Landschaft etabliert, die in einzigartiger Weise ein breites und vielfältiges Publikum anzieht und deren Besucherzahlen mit jeder Ausstellung und Veranstaltung stetig wachsen.
CIRCLE1s Bekenntnis zu einem unverwechselbaren künstlerischen Diskurs und ihr abwechslungsreiches Programm haben eine Gemeinschaft von Interessierten und Unterstützern geschaffen, einen multidisziplinären Raum für den interkulturellen Dialog.
Samstag, 22. Okt 2016 und
Sonntag, 23. Okt 2016 um
15:00 (Deutsch) und 17:00 (Englisch)
Die Teilnahme ist kostenfrei.
Aus Platzgründen ist die Teilnehmerzahl begrenzt.
Die Anmeldung erfolgt während des Festivalwochenendes vor Ort am Infoschalter des ID Festivals.